Akute mesenteriale Ischämie

(auch: AMI, Intestinale Ischämie)

Zur chronischen Mesenterialischämie (LINK)

Die akute mesenteriale Ischämie (AMI) gehört zu den Erkrankungen mit einer der höchsten Letalitäten in der chirurgischen Notfallmedizin. Verschiedene nachfolgend beschriebene Ursachen, allen voran die thrombembolischen Verschlüsse, führen zu einer plötzlichen Unterversorgung der betroffenen Darmabschnitte. Mit nur etwa 1 / 1.000 stationären Behandlungen und 1 % unter den akuten abdominellen Beschwerden ist die AMI insgesamt selten.

Pathophysiologie

Die arterielle Versorgung des Gastrointestinaltrakts erfolgt maßgeblich durch die drei aortalen Gefäßabgänge Truncus coeliacus (TC), A. mesenterica superior (SMA) und A. mesenterica inferior (IMA). Zahlreiche Kollateralen sichern die Perfusion auch bei Unterbrechung kleinerer Hauptäste (z.B. Riolan-Gefäßbogen).

Lokalisation der verschlossenen Gefäße:

  • A. mesenterica superior (in 85% der Fälle)
  • Truncus coeliacus (10-15% der Fälle)
  • A. mesenterica inferior

Reicht die Perfusion der Mukosa und Submukosa nicht mehr aus (ab ca. < 20 %), kommt es zur Sauerstoffunterversorgung und letztlich zu Permeabilitätsstörungen mit bakterieller Translokation und septischen Komplikationen.

ami_situs

Abbildung: Situs und fleckiges Ischämiemuster bei akuter mesenterialer Darmischämie

Durch verminderte Sauerstoffzufuhr kommt es zunächst zur Vasodilatation, später zur Vasokonstriktion. Durch die Ischämie der Endstrecke (Mukosa, Submukosa) kommt es zu einem Verlust der Barrierefunktion und zu einer bakteriellen Translokation mit septischem Verlauf und später Gangrän der gesamten Darmwand.

Epidemiologie und Ursachen

Häufig besteht eine lokale Thrombose der AMS bei vorbestehender abgangsnaher Stenosierung. Oft ist der gesamte Dünndarm mit rechtem Hemikolon betroffen. Bei der Embolie, die meist distal des Abgangs der A. colica media auftritt, findet sich nicht selten ein fleckiges Ischämiemuster. Das Non-Occlusive Disease, z.B. aufgrund eines Low Output Failures bei schwer kardial eingeschränkten Patienten, stellt eine Sonderform dar. Bedeutende Komorbiditäten der betroffenen Patienten sind eine relevante KHK, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Diabetes und pAVK. Die meisten Patienten weisen zudem einen Nikotinabusus auf.

  • Arterielle Thrombose (ca. 30 %) und Embolie (ca. 30 %)
  • NOMI: Nicht-okklusive Ischämie (ca. 20 %)
  • Mesenterialvenenthrombose (ca. 10 %)
  • Andere Ursachen (abdominelles Aortenaneurysma, Aortendissektion, Thrombophilie)

Klinische Symptome

Der zeitliche Ablauf der AMI wird in der Regel in 3 Stufen unterteilt: Stadium I (Initialstadium), Stadium II (Latenzstadium), Stadium III (Endstadium).

In den ersten 0-6 Stunden kommt es im Initialstadium zu (diffusen) Schmerzen bei erhaltener Peristaltik. Nach 7-12 Stunden bessern sich die Beschwerden im Latenzstadium („Fauler Frieden„). Die Peristaltik nimmt ab, Darmgeräusche können ausbleiben. Im Endstadium nach 12-24 Stunden entwickelt sich eine Durchwanderungsperitonitis mit akutem Abdomen, fehlender Peristaltik und weiteren Beschwerden.

  • (Akute) krampfartige Bauchschmerzen
  • Übelkeit oder Erbrechen
  • Peritonismus
  • Hämatochezie
  • Diarrhoe
  • Fieber
  • Hämatemesis
  • Misere

Diagnostik

Wegweisend ist die klinische Präsentation bei entsprechenden Komorbiditäten. Wichtig ist, an die AMI zu denken (die Patienten haben oft heftige Schmerzen, der Arzt findet jedoch relativ blandes Abdomen). Der Peritonismus ist bereits ein Spätzeichen!

Labor

Leukozytose, CRP-Erhöhung, Laktatanstieg, LDH-Erhöhung, Azidose (pH unter 7,2), Base-Exzess, PCT

Bildgebung

Farbkodierte Duplexsonographie, CT-Angiographie (arterielle und venöse Phase) hat eine hohe Sensitivität und Spezifität, invasive Angiographie

Therapie

Einleitend Flüssigkeitsausgleich (Ileus-Krankheit), Säure-Basen-Haushalt und Elektrolyte stabilisieren (metabolische Azidose, Hyperkaliämie), therapeutische Heparin- und Antibiotikagabe, Analgesie.

Bei Zeichen einer Peritonitis (Spätzeichen!): Laparotomie, sekundäre Gefäßrekonstruktion und ggf. sekundäre endovaskuläre Therapie.

Bei fehlender Peritonitis: Endovaskuläre Therapie und Revaskularisation, OP, ggf. sekundäre Laparotomie.

Beim operativen Vorgehen wird das Ausmaß der Darmnekrose abgeschätzt. Wenn möglich, erfolgt zunächst die Rekonstruktion der Gefäße (infra- oder suprakolischer Zugang). Die Vitalitätsprüfung des Darmes erfolgt nach dem Kolorit (rosig mit glänzender Serosa), der Prüfung auf Peristaltik bei Reizung. Bei Darmresektion ist bei weniger als 1m Restdünndarm mit einer notwendigen parenteralen Ernährung zu rechnen.