Varikose und chronisch-venöse Insuffizienz
Mit der Varikose („Krampfaderleiden“) ist im klinischen Sprachgebrauch eine Insuffizienz des epifaszialen Venensystems gemeint, die zu sogenannten Rezirkulationskreisläufen führen kann. Sie gehört zu den häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Etwa 50 % der Bevölkerung sind betroffen (behandlungsbedürftig: 28 % der Männer, 34 % der Frauen nach der Bonner Venenstudie). Die Häufigkeit der chronisch-venösen Insuffizienz ist mit 3-10 % deutlich seltener. In 95 % liegt eine primäre Varikose ohne nachweisbare Ursache vor (5 % sekundär, z.B. nach tiefer Venenthrombose, postthrombotischem Syndrom, Trauma, Arterio-Venöse-Fistel).
Gesunde Klappen im oberflächlichen (Vena saphena magna et parva) Venensystem sorgen dafür, dass das venöse Blut nur in Richtung des Herzens fließen kann. Bei einem unzureichenden Klappenschluss kann das Blut dagegen in entgegengesetzter Richtung (nach peripher) fließen.
Kann das venöse Blut des tiefen Venensystems (z.B. V. poplitea, V. femoralis) nicht mehr durch die Muskelkontraktionen zum Körperstamm abtransportiert werden, kommt es durch eine Rezirkulation über den proximalen Insuffizienzpunkt des epifaszialen Venensystems zu einer Volumenüberladung und letztlich venösen Hypertension. Ab einem gewissen Grad der Chronifizierung kommt es auch volumenbedingt zu einer Insuffizienz der tiefen Venen und damit zur irreversiblen chronischen venösen Insuffizienz mit narbigem Umbau der Klappenstrukturen.
Einteilung der klinischen Ausprägung der Varikose nach der CEAP-Klassifikation
Nach der sog. CEAP-Klassifikation werden Besenreiser und sichtbare Varizen (C1-2) von den Varizen mit Ödem, Hautveränderungen oder durchgemachten Ulcera (C3-5) unterschieden. Die Stufe C6 beschreibt das aktive venöse Ulcus. In der Bonner Venenstudie waren nur 9,6 % der beobachteten Studiengruppe nicht von einer Varikose betroffen. Ab Stadium C2 besteht eine Behandlungsindikation, um chronisch-irreversible Schädigungen des tiefen Venensystems zu vermeiden.
Diagnostik der Varikose
Zur Stufendiagnostik der Varikose stehen mehrere Verfahren zur Verfügung. Neben der Anamnese (Schwellneigung, schwere Beine, nächtliche Krämpfe, Brennen, Kribbeln, Juckreiz) erfolgt meist eine Blickdiagnose bei der klinischen Begutachtung der Patienten. Die farbkodierte Duplexsonographie hat einen besonderen Stellenwert. Auch die sog. Phlebodynamometrie („blutige“ Venendruckmessung) oder die Phlebographie (venöse Bildgebung) können die Diagnose sichern und die Therapieplanung ermöglichen.
Die Ultraschalluntersuchung der Venen besteht aus einer Untersuchung der Stammvenen, der Perforantes sowie der tiefen Venen. Es folgt eine Provokation auf Klappenschluss, wobei entweder proximal komprimiert oder distal die Kompression schlagartig unterbrochen werden kann. Kommt es dann zu einem unphysiologischen Reflux (versacken des Blutes nach peripher), kann von einer insuffizienten Klappe in der begutachteten Ebene ausgegangen werden. Anhand der Ebenen erfolgt eine Einteilung nach HACH.
Abbildung: Klassifikation der Stammvarikosis (VSM, VSP) nach HACH nach dem proximalen Insuffizienzpunkt.
Therapie der Varikose
Generell besteht eine Therapieindikation ab Stadium C2 nach der CEAP-Klassifikation. Neben der symptomatischen Beschwerdebesserung (Stauungsbeschwerden, Ödem, Ulcusheilung) besteht eine Prophylaxe der Progredienz zur chronisch venösen Insuffizienz, die irreversibel ist.
Für die Therapie stehen grundsätzlich mehrere Alternativen zur Verfügung. Alle Patienten sollten eine Kompressionstherapie anwenden (Kompressionsklasse 2-3), Venenübungen durchführen und Hautpflege betreiben.
Zur invasiven Behandlung stehen neben chirurgischen Alternativen (sog. Crossektomie, Stripping, Exhairese von Seitenästen, Perforansligatur) auch endovenös-thermische Ablationen (z.B. Radiofrequenzablation, Lasertherapie) und mechano-chemische Verfahren (z.B. Schaumsklerotherapie, MOCA) zur Verfügung.
Bei Versagen aller Therapieoptionen und in ausgewählten Fällen stehen weitere chirurgische Verfahren zur Verfügung (z.B. Venenklappenrekonstruktionen bei postthrombotischem Syndrom).