AKUTE AORTENERKRANKUNGEN
Verschiedene Erkrankungen der Aorta mit unterschiedlichem Handlungsbedarf prägen den Alltag der Gefäßmedizin. Traumatische Aortenrupturen als Folge von Hochrasanztraumata, Schuss- oder Stichverletzungen führen nicht selten zum Tod und sollten daher unverzüglich interdisziplinär behandelt werden. Nicht-traumatische Aortenrupturen sind in der Regel arteriosklerotisch (mit)bedingt und treten nicht selten im Rahmen von unerkannten Aortenaneurysmen (siehe Kapitel Aortenaneurysma) auf. Daneben haben vor allem die Aortendissektion, das intramurale Hämatom (IMH), das penetrierende Aortenulkus (PAU) und die Aortitis eine besondere Bedeutung in der Gefäßmedizin.
Anatomische Einteilung der Aorta
Eine Einteilung der Aorta kann in 5 Abschnitte erfolgen.
- Abschnitt I: Aorta ascendens bis zum Truncus brachiocephalicus
- Abschnitt II (a-c): Aortenbogen mit den drei supraaortalen Ästen
- Abschnitt III (a-b): Aorta descendens nach Abgang der A. subclavia
- Abschnitt IV: Viszerales Segment ab Truncus coeliacus bis kaudale Nierenarterie
- Abschnitt V: Infrarenaler Abschnitt
Akutes Aortensyndrom (AAS)
Mit dem Begriff „akutes Aortensyndrom“ wurden ähnliche Symptome unterschiedlicher Erkrankungen zu einem gemeinsamen Syndrom zusammengefasst. Typisch ist der akut einsetzende reißende Schmerz, der zur sofortigen diagnostischen Abklärung führen sollte. Nach der europäischen Task Force für Aortendissektionen werden zum AAS gezählt:
- Klassische Aortendissektion (am häufigsten)
- Intramurales Hämatom
- Lokalisierte Dissektion
- Plaqueruptur mit Dissektion oder Ruptur
- Traumatische (iatrogene) Dissektion
Relevante Differentialdiagnosen, wie z.B. das akute Koronarsyndrom (ACS) oder die Lungenarterienembolie (LAE) sollten beim Auftreten eines akuten Aortensyndroms unverzüglich ausgeschlossen werden. Insgesamt ist die Inzidenz des AAS mit etwa 3-4 Fällen pro 100.000 Personenjahren selten.
Traumatische Aortenruptur
(Synonym: Aortentranssektion).
Die thorakale Aortenruptur bzw. der traumatische Aortenabriss stellt mit einer Häufigkeit von etwa 2 – 3 % beim akuten Thoraxtrauma eine seltene aber sehr bedrohliche Verletzung nach Hochrasanztraumen dar. Bei Motorradunfällen stellt die traumatische Aortenruptur darüber hinaus die zweithäufigste Todesursache dar. Bedingt durch die (negative) Beschleunigung im Unfallgeschehen (Verkehrsunfall, Sturz aus größerer Höhe), kommt es zu einer Dezelerationsverletzung mit Abriss im Bereich des Aortenisthmus als besonders vulnerable Zone (Gewebeverankerung der Aorta durch obliterierten Ductus Botalli). Wird die Aortenruptur erfolgreich therapiert und primär überlebt, ist die Gesamtletalität der Patienten vor allem aufgrund der Begleitverletzung erhöht. Die Therapie besteht heute primär in einem endovaskulären Vorgehen.
Nicht-traumatische Aortenruptur
Folgt! Siehe auch Kapitel: Abdominelle Aorta.
Aortendissektion
Siehe auch Kapitel: Aortendissektion.
Die klassische Aortendissektion (ca. 80 % der AAS) beschreibt eine Separation der Wandschichten innerhalb der Media, wobei das Gefäßlumen in ein wahres und ein falsches Lumen geteilt wird („Doppellumen“). Es gibt stets mind. ein „Entry“ (Eintrittsstelle) und oft weitere Einrissstellen („Reentry“). Verschiedene Theorien zur Entstehung werden kontrovers diskutiert. Oft wird ein Einriss der Intima als Ursache angesehen, in deren Folge Blut aus der Aorta in die Media eindringt.
Klinisch relevant ist die Unterscheidung in akute und chronische Aortendissektionen (> 2 Wochen) sowie in die Typ-A (Aorta Ascendens und Aortenbogen) und Typ-B Dissektionen nach Stanford.
Penetrierendes Aortenulkus (PAU)
Das sogenannte PAU ist sehr selten und zeichnet sich durch ein Auftreten im höheren Lebensalter (> 65 Jahre) und bei hoher Atherosklerose-Last aus. Ursächlich ist oft eine Plaqueruptur, in deren Folge sich eine Arrosion tieferer Gefäßwandschichten (Media, Überschreitung der Lamina elastica interna) einstellt.
Intramurales Hämatom (IMH)
Das intramurale Hämatom kann als Folge einer akuten Blutung eines verletzten Vasa vasorum der Aorta (z.B. nach Plaqueruptur, PAU) entstehen. Es gibt keine relevante Kommunikation mit dem wahren Lumen der Aorta. In der CT-Bildgebung findet sich in Abgrenzung zur Dissektion keine typische Dissektionslamelle. Die Aortenwand ist verdickt. Das IMH kann lokal umschrieben sein oder sich über mehrere Aortenabschnitte ausdehnen.
Aortitis
Verschiedene entzündliche Aortenerkrankungen können Ursache für ein akutes Aortensyndrom sein.
- Takayasu-Aortitis
- Riesenzellarteriitis
- Morbus Behcet
- Rheumatische Aortitis
- Systemischer Lupus erythematodes (SLE)
- Morbus Ormond (Retroperitonealfibrose)
- Morbus Cogan
- Mykotische Aortitis (bakteriell infektiös)
- Aortitis luetica
- Kawasaki-Krankheit
Diagnostische Bedeutung hat, neben der laborchemischen und klinischen Diagnostik einer Systemerkrankung, insbesondere die Kontrastmittel-CT-Angiographie. Hier kommen zirkumferenzielle Wandverdickungen der Aorta (in der Regel ist die gesamte Aorta betroffen) zur Darstellung. Im MRT lässt sich ein Enhancement der betroffenen Areale nachweisen.