Nicht-invasive Diagnostik
Klinische Untersuchung von Gefäßpatienten
Die klinische Untersuchung von Gefäßpatient*innen sollte stets problemorientiert erfolgen (Stufendiagnostik). Vor dem Hintergrund einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) ist die Inspektion der Leisten und Beine auf Wunden, Ödeme, Rekapillarisierungszeit, Nagelmykose (oder andere Eintrittsstellen für Keime), Hautkolorit und Temperatur wesentlich. Klinische Zeichen der Varikosis (z.B. Besenreißervarikosis, retikuläre oder Stammvenenvarikosis) sowie der chronischen venösen Insuffizienz sind in der Regel Blickdiagnosen und sollten zu einer entsprechenden Abklärung führen.
Gibt es Hinweise auf ein abdominelles Aortenaneurysma (AAA), fokussiert sich die Untersuchung auf das Abdomen, wobei eine Druckdolenz oder Abwehr im Bereich des Aneurysmas zu einer sofortigen gefäßchirurgischen Evaluation führen sollte (Siehe Kapitel: Bauchaortenaneurysma). Die Beurteilung der peripheren Durchblutung hat vor dem Hintergrund einer möglichen embolischen Komplikation des AAA und zur Planung einer möglichen endovaskulären Versorgung ebenfalls einen hohen Stellenwert.
Zur Beurteilung der Karotisstenose gehört eine grundlegende neurologische Begutachtung unter Einbeziehung des neuromuskulären Funktions- und Hirnnervenstatus. Bei Hinweisen auf neurologische Defizite auf dem Boden einer Karotisstenosierung sollte unverzüglich eine möglicherweise vorliegende symptomatische Karotisstenose ausgeschlossen werden.
Pulsstatus
Bei der Ermittlung des Pulsstatus sollte stets ein Seitenvergleich erfolgen. Besondere Relevanz haben die Pulse der unteren Extremitäten für die PAVK und für die akute Extremitätenischämie, die Pulse der oberen Extremitäten bei der Dissektion und als Hinweise auf Subclaviastenosierungen bzw. -verschlüsse. Nach endovaskulärer Versorgung der thorakalen Aorta kann durch eine Überstentung der A. subclavia links gelegentlich vor ggf. geplanter Revaskularisierung (Karotis-Subclavia-Bypass) ein Puls über der A. radialis et ulnaris links fehlen.
Bei Vorliegen von kräftigen seitengleichen peripheren Fußpulsen ist eine hochgradige PAVK unwahrscheinlich!
Dopplerverschlussdruckmessung und Knöchel-Arm-Index
Einen wichtigen Stellenwert in der Diagnostik der PAVK hat die sogenannte Dopplerverschlussdruckmessung und der Knöchel-Arm-Index (ABI: „Ankle-Brachial-Index“).
Anhand der absolut ermittelten Werte (in mmHg) lässt sich die Schwere und der Kompensationsgrad der Verschlusserkrankung abschätzen. Der ABI als Quotient aus bestem Verschlussdruck am Endgefäß (A. tibialis anterior et posterior) und dem besten systolischen Blutdruck an der A. brachialis lässt sich für ein Screening und die Verlaufskontrolle der PAVK gut verwenden. Ein ABI < 0.9 gilt dabei als beweisend für die PAVK, insbesondere bei Abfall des ABI > 20% nach Durchführung einer Streckenmessung auf dem Laufband.
Einschränkungen hat die Dopplerverschlussdruckmessung bei langjährigen Diabetiker*innen, Dialysepatient*innen oder bei anderen Ursachen für eine Mediasklerose der Widerstandsgefäße.
Durchführung
Liegender Patient (30° Hochlagerung) nach Ruhephase 10-15 min
Blutdruckmessung an beiden Oberarmen (A. brachialis): Werte notieren!
Anbringen der Blutdruckmanschette unmittelbar vor dem Messpunkt (A. dorsalis pedis/A. tibialis anterior, A. tibialis posterior). Aufsuchen des Gefäßes mit der Dopplersonde im 45-60°-Winkel. Langsames Aufpumpen der Blutdruckmanschette, bis das Dopplersignal ausbleibt: Werte notieren!
Auswertung
ABI über 1,3: Mediasklerose
ABI 0,9 bis 1,3: Normalwert
ABI unter 0,9: PAVK bewiesen!
ABI unter 0,5: Kritische Ischämie wahrscheinlich
Absolutdruck über 100 mmHg: sehr gut kompensiert
Absolutdruck 80-100 mmHg: gut kompensiert
Absolutdruck 50-80 mmHg: grenzwertig kompensiert
Absolutdruck unter 50 mmHg: kritische Ischämie
Abbildung: Schematische Darstellung der ABI-Bestimmung.
Oszillographie
Die Oszillographie stellt ein weiteres wichtiges nicht-invasives Untersuchungsverfahren der PAVK dar. Mithilfe eines sogenannten Oszillographen werden kleinste Volumenänderungen in der gemessenen Extremität (z.B. am Oberschenkel, auf Knieniveau und am Unterschenkel) in Form von Amplituden dargestellt. Hierfür werden zirkulär um das Bein angelegte Messmanschetten (pneumatisch) oder piezoelektrische Sensoren (z.B. bei akraler Ableitung) verwendet.
Einen besonderen Stellenwert hat die Oszillographie bei Erkrankungen, die den Stellenwert der ABI-Messung einschränken:
Diabetische Mediasklerose!
Die Auswertung der segmentalen oder akralen Oszillographie sollte stets im Seitenvergleich erfolgen. Im Gegensatz zur Ultraschalldiagnostik spricht man von Amplituden, da keine „Flüsse“, sondern Volumenänderungen gemessen werden.
- Ist das Pulsoszillogramm seitengleich?
- Wie verhält sich die Amplitudenhöhe?
- Normal: Steiler Kurvenanstieg mit schmalem Gipfel (unter 1/4 Sekunde)
- Ist die Kurvenform unauffällig („dichroter Abfall“ mit Inzisur im abfallenden Schenkel)?
- Ändert sich das Pulsoszillogramm bei Belastung?
Transkutane Sauerstoffdruckmessung (tcpO2-Messung)
Bei der Sauerstoffdruckmessung wird eine Messkatode für 20-30 Minuten auf das zu messende Areal (z.B. Akren) aufgesetzt und die Sauerstoffdiffusion im Bereich des Kapillarbetts gemessen. Werte zwischen 50-70 mmHg sind unauffällig, während deutlich erniedrigte Sauerstoffdrücke von unter 30 mmHg auf eine kritische Ischämie hindeuten. Dieses Messverfahren hat einen großen Stellenwert in der Objektivierung der Ischämie beim diabetischen Fußsyndrom (Wunde, Ischämie, Fußinfektion: WIfI-Score).
Vaskulärer Ultraschall
Die farbkodierte Duplexsonographie (FKDS, Dopplersonographie) stellt ein wichtiges bildgebendes Untersuchungsverfahren der PAVK dar. Die Sensitivität und Spezifität dieser Untersuchung bei der Erkennung von Stenosen über 50 % lag in zahlreichen Studien bei deutlich über 90 %.
Grundsätzlich haben bei der Ultraschalluntersuchung der Gefäße das sogenannte Grauwertbild (B-Bild) und die Duplexsonographie (Synonym: Dopplersonographie) die wichtigste Bedeutung. Die Duplexsonographie nutzt den bereits 1842 durch C. J. Doppler beschriebenen physikalischen Effekt, dass sich Frequenzen bzw. Wellenlängen durch Abstandsvariationen scheinbar verändern. Moderne Halbleitertechnik und computergestützte Aufbereitung der Messdaten lassen heute hochgenaue Blutflussgeschwindigkeiten in Gefäßen zu.
Die Flussmessung erfolgt im Längsschnitt des Gefäßes. Aufgrund der oberflächlichen Lage der Gefäße kann ein Linearschallkopf mit einer Frequenz von 5-7,5 Mhz verwendet werden. Bei den Einstellungen ist darauf zu achten, dass der Messwinkel korrekt ist (möglichst spitzwinklige Anlotung des Gefäßes). Das normale Flussprofil zeigt drei Ausschläge: triphasisches Flussprofil und keine Flussbeschleunigungen!
Kontrastmittelverstärkter Ultraschall (CEUS)
Seit einiger Zeit stehen gut verträgliche Kontrastmittel zur intravenösen Applikation für die Untersuchung von Gefäßen zur Verfügung. Es handelt sich dabei in der Regel um Mikrobläschen, die über die Lunge abgeatmet werden und ein sehr geringes Nebenwirkungspotential besitzen. Diese Untersuchung gewinnt einen zunehmenden Stellenwert bei dem Nachweis sogenannter „Endoleckagen“ nach der endovaskulären Versorgung von Bauchaortenaneurysmen.