Hintergrund

Mit einer Inzidenz von nur 3 – 5 Erkrankungen pro Jahr pro 100.000 Einwohner in Deutschland ist die Aortendissektion eine insgesamt seltene Erkrankung. Unter den Notfallsituationen mit Bezug zur Aorta (siehe auch „akutes Aortensyndrom“) stellt die Aortendissektion die häufigste Entität dar. Im Unterschied zum klassischen Aortenaneurysma, welches alle Wandschichten einbezieht, ist die Aortendissektion durch eine Intimalamelle charakterisiert, die das Gefäßlumen in ein wahres und ein falsches Lumen teilt (siehe Abbildung).

Abbildung: Unterschied zwischen Aortenaneurysma (links) und Aortendissektion (rechts).

Abbildung: Unterschied zwischen Aortenaneurysma (links) und Aortendissektion (rechts).

Klassifikation

Bei der akuten Aortendissektion wird grundsätzlich nach der Stanford-Klassifikation in Typ-A (Aorta ascendens bzw. Aortenbogen proximal des Subclaviaabgangs betroffen) und Typ-B unterschieden (Beginn distal der A. subclavia links). Typ-A-Dissektionen werden in der Regel unverzüglich herzchirurgisch versorgt. Die Prognose der unbehandelten Typ-A-Dissektion ist außerordentlich schlecht. Die Behandlungsletalität der Typ-B-Aortendissektion beträgt heute noch etwa 10 – 13 %, wobei die Letalität in den ersten 2 Wochen am höchsten ist. Eine weitere wichtige Klassifikation ist die Einteilung nach De Bakey in die Typen I (Aorta ascendens und weiter) bis III (Aorta descendens).

CT Dissektion

Abbildung: CT-Angiographie mit der Darstellung einer Dissektionslamelle der deszendierenden thorakalen und abdominellen Aorta (im Bild rechts neben dem Wirbelkörper: thorakale Aorta auf Herzhöhe).

Nach dem zeitlichen Verlauf kann die Typ-B-Aortendissektion außerdem in akut (erste 2 Wochen nach Beginn der Symptomatik), subakut (2-6 Wochen nach Beginn der Symptomatik) und chronische Befunde unterteilt werden.

Von besonderer klinischer Relevanz ist außerdem die Einteilung in unkomplizierte und komplizierte Dissektionen, wobei nach den aktuellen Publikationen folgende Symptome als „kompliziert“ bezeichnet werden können:

  • Malperfusion (Rückenmark, Beine, Nieren, Darm und andere viszerale Organe)
  • Unkontrollierbare (neue) Hypertension
  • Zunehmendes periaortales Hämatom oder Pleuraerguss
  • Schwere Hypotension

Bildgebung

Bei der akuten Aortendissektion sollte, auch bei Fehlen von Komplikationen, eine engmaschige Bildgebung erfolgen. Ein aktuelles Experten-Konsensus-Dokument zur unkomplizierten Dissektion empfiehlt eine Bildgebung bei Patientenaufnahme, nach 7 Tagen, zur Entlassung und nach 6 Wochen. In diesem Zeitraum ist das Risiko für Komplikationen und Aneurysmarupturen am höchsten.

dissection

Abbildung: MR-Rekonstruktion einer thorakalen Aortendissektion (komplette Unterteilung der thorakalen und abdominellen Aorta in ein echtes und ein falsches Lumen durch die Intimalamelle).

Invasive Therapie

Die anhaltende (pathologische) Perfusion des sog. „falschen Lumens“ führt bei ca. 40 % der Patienten zur Entwicklung eines behandlungsbedürftigen Aneurysmas mit entsprechender Rupturgefahr. Das Therapieziel sollte daher die Ausschaltung der Falschlumenperfusion sein.

Die endovaskuläre Therapie (Stentgraftimplantation, TEVAR) hat sich bei der Behandlung der akuten komplizierten Typ-B-Dissektionen mittlerweile zum Standardverfahren (First Line Therapie) entwickelt. Die Abdeckung der proximalen Eintrittsstelle (sog. „Entry“) kann dabei den Bluteinstrom in das falsche Lumen unterbrechen und damit zur erfolgreichen Ausschaltung der Dissektion führen. Bei chronischen Verläufen sind häufig komplexe endovaskuläre Verfahren zur Unterbrechung der persistierenden „Falschlumenperfusion“ notwendig, deren Beschreibung den Rahmen dieses Studentenskriptes sprengen würde.

tevar dsa

Abbildung: Implantation einer thorakalen Stentprothese mit einer proximalen „Landezone“ (oberer Ring mit Verankerungen) direkt nach dem Abgang der A. subclavia links.

Behandlungsindikation

Nach den Klasse-I-Empfehlungen der Leitlinie der American Heart Association (AHA) sollte die akute thorakale Aortendissektion

  • medikamentös behandelt werden, wenn sich keine lebensbedrohlichen Komplikationen entwickeln
  • zusätzlich offen oder endovaskulär behandelt werden, wenn Hinweise auf eine Malperfusion der Organe (Nieren, Rückenmark etc.) bestehen